2 Vii. Der Dreißigjährige Krieg.
das gottesdienstliche Leben pflegen. Dann aber kamen Gesandte des Erzbischofs von Prag und schlossen die Kirche. Auf eine unter Hinweis auf den Majestätsbrief an den Erzbischof und die kaiserlichen Statthalter gerichtete Beschwerde lief der Bescheid ein: im Majestätsbrief fei nur den landesfürstlichen, d. h. den königlichen Städten das Recht des Kirchenbaues eingeräumt, Klostergrab aber stehe unter erzbischöflicher Hoheit. Der von den Protestanten erhobene Einwand, daß nach altböhmischer Rechtsanschauung die geistlichen Besitzungen mit zu dem Krön gut gehörten, wurde nicht anerkannt. 1617 ließ der Erzbischof von Prag, zu dessen Sprengel Klostergrab gehörte, mit Einwilligung des Kaisers die Kirche niederreißen. — Um dieselbe Zeit ereignete sich etwas Ähnliches in dem Städtchen Braunau au der schlesischen Grenze. Auch hier hatten die Protestanten eine Kirche errichtet. Kaum war sie vollendet, so wurde sie unter Berufung auf die Auslegung des Majestätsbriefes auf Befehl des Abtes von Braunau geschlossen, b. Fenstersturz Die Kunde von diesen Vorgängen drang rasch ins Land und (23?M<ni6i8). versetzte die protestantischen Kreise in die höchste Entrüstung. In einer Beschwerdeschrift an den Kaiser klagten sie über Verletzung des Majestätsbriefes, dessen Beachtung ja Matthias zugesichert hatte, und baten um Abstellung der Mißstände. Die Antwort enthielt eine schroffe Abweisung der Beschwerde und steigerte nur die Erbitterung, zugleich den Haß gegen das habsburgische Regentenhaus. Nun bemächtigte sich der Protestanten der Zorn. Auf Betreiben des jungen, leidenschaftlichen Grafen Matthias von Thnrn versammelten sich im Mai 1618 viele protestantische Edelleute mit Gefolge in Prag, um die zur Wahrung ihrer Rechte notwendigen Schritte zu beraten. Ihre Wut richtete sich namentlich gegen zwei kaiserliche Statthalter, Martinitz und Slavata, die als Protestantenfeinde bekannt waren und denen man die Schuld für die ablehnende Haltung des Kaisers zuschrieb. Ant 23. Mai 1618 stürmten sie, bewaffnet und vou einer großen Volksmenge begleitet, den Hradschin hinan, drangen in wilder Aufregung in das Schloß und warfen nach kurzem heftigem Wortstreit, nicht in augenblicklicher Aufwallung, sondern nach vorbedachtem Plane, die verhaßten Statthalter, sowie deren Geheimschreiber Fabrieius zum Fenster hinaus in den etwa 18 Meter tiefen Burggraben. Wie durch ein Wunder kamen sie alle fast unverletzt davon.
Aufruhrin 3. Der Fenstersturz zu Prag war offene Auflehnung gegen Bohmen, kie Obrigkeit. Das Bewußtsein davon erfüllte alle Beteiligten und ebenso war ihnen klar, daß der Kaiser seine ganze Macht zu einer harten Bestrafung aufbieten werde. Der Stein war ins Rollen geraten; die Protestanten konnten bei dem Geschehenen nicht stehen bleiben. Um einer Unterdrückung durch kaiserliche Organe vorzubeugen, errichteten sie in Prag eine eigene Verwaltung für das böhmische Land
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94 Viii. Vom Westfälischen Frieden bis zur Französischen Revolution.
Leopold Ii. 1790—1792.
Friedrich Wilhelm Ii. 1786—1797.
Religionsedikt.
§ 100.
Josephs Ii. und Friedrichs Ii. Nachfolger. Die Teilungen
Polens.
1. In Österreich und auch im Deutschen Reiche folgte Leopold Ii. (1790—1792), Josephs Bruder, bisher Großherzog von Toskana. Obwohl er im allgemeinen gleichen Grundsätzen wie sein Vorgänger huldigte, so lenkte er doch, um den ererbten Staat vor Auflösung zu bewahren, in die Bahnen Maria Theresias ein. In Belgien brachte er zuerst mit bewaffneter Hand die Revolution zum Stillstand, dann gewährte er den Aufwieglern Amnestie, endlich hob er die verhaßten Neuerungen auf und stellte die alten Privilegien und Verfassuugs-eiurichtuugeu wieder her. Ebenso gelang es ihm, durch Nachgiebigkeit und weise Mäßigung die Ungarn mit sich zu versöhnen. Unter seinem Sohn und Nachfolger Franz Ii. wurden auch die letzten Reste der Josephinischen Reformen zurückgenommen.
2. In Preußen übernahm 1786 Friedrich Wilhelm Ii. (1786 bis 1797), ein Neffe Friedrichs Ii., die Regierung. Seine Thronbesteigung ward von allen denen mit Hoffnungen begrüßt, welche verschiedene Einrichtungen Friedrichs, wie die Aceise und die Monopole, als Druck empfunden und daher mehr mit scheuer Bewunderung als mit Liebe zu dem großen König emporgesehen hatten. Der neue Monarch schien durch seine ersten Handlungen: Aufhebung der Regie, des Tabak- und Kaffeemonopols, Entfernung der französischen Beamten den Erwartungen zu entsprechen. Im Verlause der Regierung aber bereitete er seinem Volke mancherlei schmerzliche Enttäuschungen. Es geschah dies durch seinen starken Hang zur Sinnlichkeit und durch seiue krankhafte Neigung zum Wunderbaren, zur Religionsschwärmerei. Ersterer verleitete ihn zu einem verschwenderischen Genußleben, zu einem anstoßerregenden sittlichen Wandel und zur Einführung einer Günstlingsherrschaft, unter welcher Preußens Ruhm und Einfluß zu sinken begannen. Ein Ausfluß seiner Glaubensrichtung war das nach seinem Minister Wöllner benannte „Wöllnersche Religionsedikt" (1788), welches dem herrschenden Unglauben zu steuern suchte, das aber so sehr „jeder Freiheit des Lehrens und Schreibens in Sachen der Religion eine Schranke setzte", daß selbst der große Philosoph Kant (in Königsberg) sich bestimmen ließ, seine Vorlesungen über religionsphilosophische Gegenstände einzustellen. Das Ergebnis der Regierung Friedrich Wilhelms Ii. war kein erfreuliches. Das lockere Leben am Hofe beeinflußte die Sitten der Residenz. Leichtsinn und Genußsucht nahmen überhand und zu dem in der sog. „Aufklärung" wurzelnden Unglauben gesellte sich pharisäische Heuchelei.
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Extrahierte Personennamen: Leopold_Ii Leopold Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Friedrichs Leopold_Ii Leopold Josephs_Bruder Maria_Theresias Maria Theresias Franz_Ii Franz Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Friedrichs Friedrichs Friedrich_Wilhelms Friedrich Wilhelms
68 §• 37—38. Neuere Geschichte, 1517—1873.
ligionsübung. Weise Verwaltung des Landes unter dem Prot. Minister Snlly. Heinrich Iv., mit abenteuerlichen Plänen einer christlich-europäischen Republik beschäftigt, wird ermordet durch Ravaillae (1610). Ludwig Xiii. (1610 — 1643), ein schwacher Regent. Sein Minister Richelieu (| 1642), wie schon Heinrich Iv., ein Gegner des Hauses Habsburg, sucht die königliche Macht zu heben. Stiftung der Academie frangaife (1635).
B. England und Schottland. 1. Haus Zubor (1485—1603). Heinrich Viii. (1509—47; sechs Gemahlinnen) sagt sich vom Papste los und macht sich zum Oberhaupte der englischen Kirche. Die Reformation, begonnen durch Erzbischof Cranmer unter Hein-rich's Sohn Eduard Vi. (f 1553), blutig verfolgt durch Heiurich's katholische Tochter Maria (f 1558; Gemahlin Philipp's Ii.), vollendet durch Maria's Halb-1558-1603. schwester, die jungfräuliche Königin Elisabeth (1558— 1603). Die 39 Artikel der englischen Episcopal-kirche. Der Calvinismus (Presbyterianer) durch Jo-hauu Knor in Schottland verbreitet. Maria Stuart, Urenkelin Heinrich's Vii. von England, Königin von Schottland (1. Gemahl K. Franz ü.; 2.Darnley,-j-1567; 3. Bothwell), wird wegen Verschwörungen gegen Eli-1587. sabeth hingerichtet (1587).— Begründung der englischen Seemacht nach Besiegung der spanischen „unüberwindlichen Armada" (1588). Ostindische Handelscompagnie (1600). Weltumseglung Franz Drake's (1580). Colonisation Nordamerikas (Virginien). Blüthe der Literatur (Shakespeare).
2. Haus Stuart (in Schottland seit 1371,) in 1603-1714. Großbritannien und Irland von 1603 —1714.
Jacob I. (f 1625), Maria Stuart's Sohn. Pul-verv ersch w öruug der Katholiken (1605). Karl I.
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Extrahierte Personennamen: Snlly Heinrich_Iv. Heinrich_Iv. Ludwig_Xiii Ludwig Richelieu Heinrich_Iv. Heinrich_Iv. Heinrich_Viii Heinrich Cranmer Eduard_Vi Eduard Maria_( Maria Maria_Stuart Maria Franz_ü. Franz Bothwell Franz_Drake's Franz Maria_Stuart's Maria Karl_I.
Extrahierte Ortsnamen: England Schottland Schottland England Schottland Nordamerikas Haus_Stuart Schottland Irland
48 --------
Hop, hop, gings über Stock unci Stein
Mit unvorsichtigen Sprüngen;
„Kind, rief die Mutter, Kind, halt ein,
Es möchte dir misslingen.“
Allein das Lämmchen hüpfte fort,
Bergauf, bergab in Freuden;
Zuletzt musst' es am Hügel dort
Für seinen Leichtsinn leiden.
Am Hügel lag ein grosser Stein,
Den wollt es überspringen;
Seht da, es springt, und — bricht ein Bein,
Aus war nun Lust und Springen.
O liebe, muntre Kinder! schreibt
Diess tief in eure Herzen:
Die Freuden, die man übertreibt,
Verwandeln sich in Schmerzen.
Mtie Verführung.
Wilhelm sass an einem Sommerabende
vor der Thür, und wartete auf die Ankunft
seines Vaters. Da kam Philipp, ein böser
Knabe, und überredete ihn, mit an den
Fluss zu gehen und sich in einen Kahn zu
setzen, der da angebunden war.
Philipp war so unbesonnen, den Kahn
loszubinden. Da er aber weder Kräfte
noch Geschicklichkeit genug hatte, densel-
den zu regieren, so trieb ihn das Wasser
weit vom Ufer weg, und die Knaben ge-
riethen in Lebensgefahr.
Zum Glücke sah ein Müller die Gefahr
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Extrahierte Personennamen: Diess Wilhelm Philipp Philipp Philipp
140
Art, und mußte im l8ten Jahrhundert weit ferner
gls im löten von seinem Ziele fein. Zn Portugal,
Spanien, Frankreich, wurde er zuerst, dann 1773 von
Papst Clemens Xlv. gänzlich aufgehoben. In seiner
höchsten Blüthe hatte er 1400 Collegien, und über
22000 Mitglieder gehabt.
In England war König Heinrich Viii., des
siebenten Sohn, als Reformator ausgetreten, obgleich
er durch eine Schrift gegen Luther, zu welcher er den
Namen hergegeben hatte, sich den Titel äetengo,- fidei
verdient hatte. Als ihn aber Papst Clemens Vh.
von seiner ersten Gemahlin (ihr folgten noch 5 andere)
nicht scheiden wollte, brach er mit Rom, und machte
sich zum Oberhaupt der Kirche, wozu ihn deren Schätze
und seine theologischen Kenntnisse gereizt-haben moch-
ten; die Bibel wurde erlaubt, doch nicht, darüber zu
grübeln; darum nur in jedem Kirchspiele eine war,
und diese an der Kette. Die Klöster hörten auf.
Aber kein fester Plan war in seiner Reformation, nur
dieselbe Willkühr und Laune, womit er seine Weiber,
Minister, vorzüglich den berühmten Cardinal Wolsey
plagte und den edlen Thomas Morus hinrichten ließ.
Erst mit dem Sohne dieses Tyrannen, Eduard V!.
(1547 — 53) ward die Reformation vollendet, allein
auch gleich von seiner Nachfolgerin Maria wieder unter-
drückt. Als aber Marias Schwester, die berühmte
Elisabeth (1558 bis i603), den Thron bestieg, stellte»;
sich drei Neligionsparteien neben einander auf; die
eine, die der bischöflichen oder Hofkirche, mit manchem
Ueberblelbsel des Papismus; die andere, die der stren-
gen Reformirten oder Puritaner, Presbyterianer, die
besonders in Schottland herrschend wurden, wahrend
auch der Kathoiiclsmus noch in beiden Reichen, vor-
züglich aber in Irland, bestand. Die Presbyterianer in
Schottland legten auch den Grund zum Unglück ihrer
schönen, aber leidenschaftlichen Königin Maria Stuart,
die bald ktine andere Hülfe wußte, als sich in Elisa-
beths Arme zu werfen. Diese aber, die theiis den
Katholicismus, theiis die Schönheit ihrer muthmaß-
lichen Nachfolgerin fürchtete, hielt die unglückliche Für,
siin lange Jahre gefangen, und ließ sie endlich, 1587,
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Extrahierte Ortsnamen: Portugal Spanien Frankreich England Rom Schottland Irland Schottland
150
aus Staatsgründen hinrichten. Uebrigens stieg Eng-
land unter eben dieser jungfräulichen Königin auf einen
hohen Gipfel der Macht und Cultur, und legte den
Grund zu feiner jetzigen Universalherrschaft des Meeres.
Dann folgte das unglückliche Haus der Stuart mit
Marias Sohne, Jakob l. —- 1ö25, und dessen Sohne
Karl I.— 104q. In Schweden befestigte die Nes
formation die neue Dynastie der W a fa auf dem Thron.
Die drückende Union von Kalmar sollte besonders von
dem grausamen Christian Ii. von Dänemark mit Ge-
walt in Kraft erhalten werden. Zu diesem Zwecke
liest er 1520 auf einmal eine große Menge der vor»
nehmsten Schweden hinrichten (Stockholmer Blutbad),
wo aber der edle Jüngling Gustav Wasa entkam;
der nun in den freien Thälern Dalekarliens und von
Mora Anhang fand, Stockholm von diesem Wütherich
befreite (der bald darauf auch in Dänemark abgesetzt
wurde), und 1525 als König Schwedens den Thron be-
flieg. Er führte die Reformation Luthers ein, brach
dadurch das Ansehen der hohen Geistlichkeit, deren
Güter der arme König mit dem Adel theilte, ließ ihr
aber ihren Sitz im Reichsrathe. Dagegen nahm er
auch den Bürger« und sogar (das erste Beispiel dieser
Art bis dahin) den Bauernstand unter die Reichsstande
auf, so daß die ganze Nation in allen ihren Standen
vertreten war. Zwar suchte sich unter seinen Nach-
folgern der Katholicismus wieder einzuschleichen; wurde
aber erst zurückgewtesen, und im folgenden Jahrhun-
dert durch Gustav Adolf, Wasas Enkel, sogar in
Deutschland bekämpft, als da der Protestantismus zu
erliegen schien.
'Auch in den Niederlanden brachte die Refor-
mation eine merkwürdige Revolution hervor. Diese,
durch Handel und Gewerbsfleiß reichen, zum Theil
dem Meere erst abgekämpften Länder zwischen Maas
und Schelde und dem Rheine bis zur Ems, waren dem
Könige Philipp Ii. von Spanien von seinem Vater
Karl V. übergeben worden. Philipp haßte die Refor-
mation fast aus Instinkt, weil ihm, dem finstern
selbstsüchtigen Tyrannen, der aus dem Dunkel seines
Kabinets seine Ungeheuern Staaten regieren wollte,
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Extrahierte Personennamen: Marias Jakob_l Karl_I.— Karl Kalmar Christian_Ii Gustav_Wasa Gustav Mora Gustav_Adolf Gustav Adolf Philipp_Ii Philipp Karl_V. Karl_V. Philipp
Extrahierte Ortsnamen: Marias Schweden Dänemark Schweden Dalekarliens Stockholm Dänemark Luthers Deutschland Niederlanden Rheine Spanien
155
kavagna, geworden, 1547 , wenn dieser nicht, als die
Verschwörung gegen Doria fast schon geglückt war, im
Meee ertrunken wäre. Am schönsten blühte unter Ita-
liens Staaten Toskana auf; ein Freistaat, an dessen
Spitze die reiche Kaufmannsfamilie der Mediceer stand,
aus welcher selbst mehrere den päpstlichen Stuhl bestie-
gen, und einer, Alexander, Schwiegersohn Karl V.,
erblicher Herzog von Floren; wurde (1531). Sein Nach-
folger Cosmus wurde Großherzog; dessen Sohn Franz
Maria (1574— 87) durch sein Verhältniß mit der
schönen Giftmischerin Bianka Capeuo berühmter, als
durch große Thaten geworden ist. Dieß Haus regierte
bis 1737. Äuch das Herzogthum Savoyen und Pie-
mont hob sich in diesem Zeitraum sehr.
In Rußland nahm Großfürst Wasilet 1505 —
1534 den Titel eines Zaars von ganz Rußland an.
Sein Sohn Iwan Ii., (1534 —1584) der Schreckliche,
führte mit Polen (wo 1572 der Stamm der Iageuo-
nen endete, und der erste Versuch das Wahlrecht zu
üben mit Heinrich Ix. von Anjou schlecht ausfiel, da er
davon lief), mit Lithauen, welches nachher mit Polen
ganz vereinigt wurde, mit Schweden, welches sich an
der Ostsee immer weiter ausbreitete, mit Mogolen und
Tataren, viele und meist glückliche Kriege. Aber er
suchte auch durch deutsche Künstler und Handwerker,
durch bessere Gesetzbücher seinen Staat aus der asia-
tischen Rohheit herauszuarbeiten, der er freilich oft
noch selbst anzugehören schien, wenn er etwa höchst-
eigenhändig Hinrichtungen vollzog, oder, mit dem
Gesandschaftsrechl noch unbekannt, einem Gesandten,
der vor ihm den Hut nicht abzog, denselben auf den
Kopf nageln ließ. Doch war mit den Erwerbungen
in Sibirien (von einer, unter Iermak Timofejew, ver-
sprengten Kosakenhorde erobert 1576, und dem Zaar
geschenkt, das größte Geschenk, das je ein Räuber ma-
chen konnte!) sein Reich schon 140,000 ^ Meilen gross.'
Das Haus Rurik erlosch mit Feodor 15q8, worauf
die stürmischen Zeiten des Boris Ghodunow und der
falschen Demetrter kamen, denen endlich das Haus
Romanow, durch Wahl der Großen 1ö13 auf den
Thron berufen, allmählig ein Ende machte.
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Extrahierte Personennamen: Doria Alexander Alexander Karl_V. Karl_V. Franz
Maria Franz Maria Bianka_Capeuo Heinrich_Ix Heinrich Iermak_Timofejew Feodor_15q8 Boris_Ghodunow
Extrahierte Ortsnamen: Polen Schweden Sibirien Haus
Romanow
— 133 —
nes Volks, wenn er auch als Mensch nur einer kleinen
Anzahl Ausländer angehörte. Er verstand die seltene
Kunst, Staaten nicht bloö groß zu machen, sondern auch
groß zu erhalten. Der thättgste Mann der Monarchie!
Oft sah der Morgen schon die Arbeit eines ganzen
Tags gethan, „denn, sagte er, nichts hat mehr Aehn-
lichkeit mit dem Tode, als der Müssigang; daß ich
lebe, ist nicht nothwendig, wohl aber, daß ich thatig
bin.- Nichts schob er auf, was geschehen mußte, und
endete auch nur mit dem letzten Augenblicke seines
Lebens, 17. Aug. 1786, seine Selbstregierung.
Beiden Fürsten stellt sich nur an folgenreicher Tha-
tigkeit tm größten Muaöstabe, die nordische Semiramis
Katharina Ii. von Rußland gleich; obwohl man
bet einer Würdigung ihrer Regierung im Ganzen man-
ches einzelne und gräßliche vergessen muß; darum kein
Wort davon, wie sie zum Throne kam, wie Pe^
ter ihr Gemal verblich und Kaiser Zwan Hi. seine
freudenleeren Tage in Schlüsselburg vollendete. Ihre
Politik nach Außen, war besonders auf Polen und die
Türkei gerichtet. Was begriff es nicht allein in sich,
daß sie den Polen nach Augusts Iii. Tode (1763)
einen König in Stanislaus August Poniatowski gab,
rind die unglückliche Religlons.partei der Dissidenten,
die freilich mit fremder Hülfe auch eine politische wer«
den mußte, unterstützte, und durch ihren Repnin einen
eisernen Druck übte! Umsonst stifteten die mit Ruß-
lands Einflüsse Unzufriedenen eine Conföderation zu
Bar 1763. vermochten die Pforte zu einem Kriege
mit Rußland, erklärten den König für abgesetzt, und
suchten ihn sogar aus seiner Hauptstadt zu entführen.
(Nov. 1771.) Sie beschleunigten dadurch nur das
Schreckliche, was über Polen bereits beschlossen war.
Denn bereits waren Oestreich, Preussen und Rußland
Sberelngekommen (wer den Plan zuerst gehabt, ist an,
Ende nicht so wichtig, als daß man ihn so gegen alles
bisher angenommene Völkerrecht und Gleichgewichts,
fystem nur überhaupt je haben konnte!), eine T Hei-
lung Polens vorzunehmen. Man riß 1772 also
3400 □ Meilen von Polen ab, .(es blieben ja noch
20000!), theilte sich n§ch Verhältnis hinein, und
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Extrahierte Personennamen: Katharina_Ii Augusts Stanislaus_August August
mr~~ ' ——-
— 102 —
England und eine große Schwäche der Regenten, die
aus dem Hause Braganza seit Ió40 waren, und sich
trotz Spaniens Bemühungen, befestigt hatten. Nur
die Regierung Zoseph Emanuels (1750—1777) zeich-
nete sich durch den Minister Pombal aus, der dem
erschlafften Staate wieder neue Kräfte zu geben suchte.
Freilich mußten, bei solcher Erschlaffung, seine durch-
greifenden Reformationen auch drückende werden. Das
furchtbare Erdbeben, 1. Nov. 1755, welches der halben
Stadt und wenigstens 30,000 Menschen ihre Existenz
kostete, wurde freilich als Zorn des Himmels über seine
Neuerungen von den Geistlichen gedeutet. Ein Atten-
tat auf des Königs Leben, wobei die Jesuiten die
Hand im Spiel gehabt haben sollten, und die Wider-
setzlichkeit derselben, bet der Vertauschung von St.
Sagramento gegen das spanische Paraguay, wo sie
ein eignes Reich von Indianern sich gegründet hatten,
zogen ihren Fall in Portugal nach sich, 1756. Die
tiesgesunkene Armee wurde durch den Deutschen Graf
von Lippe-Schaumburg wieder organisirt. Aber die
bigotte Maria Franziska, Tochter des Königs, die ihm
folgte, und endlich in Wahnsinn fiel, dankte Pombaln
ab, und hielt lieber 1776 noch ein feierliches Auto
da Fe. Für sie übernahm 17q2 ihr Sohn Johann die
Regentschaft. Die alten goldnen Tage waren
längst vorbei. Kein Wunder, wenn noch lange in
Erinnerung derselben das abergläubische Volk bei einem
gewissen Meereswinde auf Hügel lief, und nach Süden
schaute, ob sein heiliger Sebastian von 1578 aus
Afrika nicht wiederkehre!
In Spanien war auf den schwachen Philipp V.
und seine herrschsüchtige Gemahlin Elisabeth von Parma
(mit ihrem politischen Schwindler Alberoni) 1743
Ferdinand Vi. gefolgt, der 1753 in Wahnsinn fiel,
und den König von Neapel, Karl Iii., seinen Halb-
bruder zum Nachfolger hatte (bis 1788), während
Neapel fein dritter Sohn Ferdinand erhielt. Doch
zeichneten sich unter ihm die Grafen Aranda und Campo-
manes als Minister aus. Wohlthätig für das Land
war die Vertreibung der Jesuiten und die Beschrän-
kung der Inquisition.
TM Hauptwörter (50): [T31: [König Ludwig Karl Sohn Maria Frankreich Kaiser Tod England Philipp], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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Extrahierte Personennamen: Maria_Franziska Maria Pombaln Johann Sebastian Philipp_V. Philipp_V. Elisabeth_von_Parma Alberoni Ferdinand Karl_Iii Karl Ferdinand Ferdinand
Extrahierte Ortsnamen: England Spaniens Paraguay Portugal Lippe-Schaumburg Afrika Spanien Neapel Neapel
193
Frankreich seufzte lange noch unter Entkräftung
und Last der Schulden, die Ludwigs Xiv. Verschwen-
dungen und Kriege ihm zugezogen hatten. Ludwig-
Zjähriger Urenkel, Ludwig Xv. (1715—1774) veran-
laßt? erst noch die Regentschaft des Herzogs Philipp
von Orleans, eines von dem Scheusal Dubois verführ-
ten schändlichen Wollüstlings, der in feinem Palats-
royal bei seinen Adamsfesten sich unter's Vieh ernie-
drigte. Ludwig selbst vermahlte sich zwar mit der
Tochter des Exkönigs von Polen, Stanislaus Lescinsky,
jedoch es drängte auch eine Maitreffe (die Mailly und
ihre 3 Schwestern, die Chateauroux, die Pompadour, die
du Parry) die andere. Auch seine Minister, bis auf
Fleury (1726 — 43), schienen recht dazu geschaffen,
das Unglück der Nation immer größer zu machen»
während die Theilnahme am polnischen und östreichi-
schen Erbfolgekrteg und am siebenjährigen mit dem
unglücklichen Seekriege die Schuldenlast ins Ungeheure
trieben. Doch wurde 1764 unter Choiseul der Jesuiten«
Orden vertrieben und den Genuesen Korsika abgekauft,
wo der muthige Paoli der Verfechter der Freiheit
war, und ein westphälischer Edelmann, Neuhof, als
König Theodor eine zeitlanq regiert hatte. Eben da-
mals gaben Männer, wie Montesquieu, wie Voltaire
und Rousseau, der beredteste aller Sophisten, der sogar
von Volkssouverainetät sprach, Männer wie Diderot,
d'alembert und die Encyklopädisten einen so litera-
risch- als politisch - revolutionairen Ton an, wirkten
so tief auf den Geist des durch Hofdespotismus ge-
drückten Volkes; daß dieser Umstand, daß aber auch
die auf 4h00 Millionen Franken angewachsene Schul-
denlast und die Verarmung des Hofes, daß die wtll-
kührliche Behandlung der Parlamente, die schreckliche
geheime Police; und die 1ettre8 de cachet, die den
Unschuldigsten ohne Verhör und Gericht der vollge-
stopften Pastille oder gar einer Oubliette zuführen konn-
ten, daß die schreienden Vorrechte der obern Stände
endlich dem Volke die Augen öffnen mußten. Daß
aber gerade unter dem edlen und selbst am verdorben«
sten Hofe so reinen Ludwig Xvi. (1774 — 1793)
der Sturm ausbrechen, daß er die Sünden der Vater
3te Aust. 13
TM Hauptwörter (50): [T31: [König Ludwig Karl Sohn Maria Frankreich Kaiser Tod England Philipp], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T96: [Ludwig Karl König Frankreich Kaiser Xiv Napoleon Krieg Franz Italien], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T20: [König Sohn Maria Heinrich Tochter Karl Herzog England Haus Gemahlin]]
TM Hauptwörter (200): [T49: [König Königin Herzog Peter Hof Elisabeth Minister Tod Graf Regierung], T79: [Ludwig Xiv Frankreich König Ludwigs Xvi Napoleon Xviii Xv. Philipp], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T103: [England Krieg Frankreich Spanien Franzose Engländer Flotte Jahr Holland Frieden], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch]]
Extrahierte Personennamen: Ludwigs Ludwig_Xv. Philipp
von_Orleans Philipp Dubois Ludwig Ludwig Stanislaus_Lescinsky Theodor Montesquieu Diderot Ludwig_Xvi Ludwig
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Ludwigs_Xiv Polen Korsika Neuhof